Cross is Boss!
Im Oktober wurde die Rennrad Straßensaison durch die Cyclocross-Saison abgelöst. Auch der RTC ist mit Fahrerinnen und Fahrern in beiden Disziplinen am Start. Pünktlich zur Zeitumstellung haben sich eine Straßen-Fahrerin und eine Alles-Fahrerin mit besonderer Affinität zu Cyclocross-Rennen zu einem Interview getroffen.
Lydia: Claudia, wie läuft die Cyclocross-Saison bisher?
Claudia: Am 23.10. wurde die Cyclocross-Saison mit dem Querfeldrhein in Düsseldorf eröffnet. Seitdem fanden auch schon zwei Läufe des NRW Crosscup in Lünen und Bonn statt. Der NRW Crosscup umfasst insgesamt neun Rennen und endet im März 2023 in Radevormwald. Das Rennen Querfeldrhein lief fantastisch (Anm.: Claudia wurde Zweite bei den Hobby-Frauen), die Strecke hat mir gefallen, die Atmosphäre und die Location waren grandios. Für den Kurs in Lünen fehlte mir leider noch die Fitness. Dafür liefs in Bonn besser (Anm.: Dritter Platz für Claudia). Der Kurs war interessanter und technischer und so konnte ich mit meinen Technik-Skills etwas die fehlende Fitness ausgleichen.
Warum fährst du keine Cyclocross-Rennen, Lydia?
Lydia: Während der Straßensaison kam ich auf die bescheuerte Idee, unbedingt ein Rennen fahren zu wollen. Da in dem besagten Rennen keine Hobby-Rennen für Frauen angeboten wurden, habe ich spontan und ziemlich blauäugig eine Lizenz beantragt. Während ich mir auf der Straße eine gute Leistung in Lizenzrennen zutraue, wäre das für mich im Cyclocross nicht vorstellbar. Cyclocross ist eine völlig andere Art von Wettkampf: Meine Technik-Skills sind unterirdisch, deshalb ist alles mit technischen Komponenten auch eine psychologische Herausforderung. Die Vorstellung, 45 Minuten physisch und mental all out zu gehen, ist für mich Horror.
Apropos all out? Wie ist das so im Wettkampf, Claudia? Wieso hast du nach einem Rennen Bock aufs nächste?
Claudia: So ein Renntag ist wie ein Tagesausflug mit dem Verein und auch Freunden. Danach erzählt man wie es lief, fachsimpelt, teilt Fotos und spielt Quartett der Herzfrequenzen (Anm: Absoluter Gewinner bisher ist Simon, der in Lünen 34 Minuten im anaeroben Bereich fuhr). Und ich bin ehrgeizig: Wenn es gut läuft im Rennen, will ich den Erfolg wiederholen. Wenn nicht, habe ich die Hoffnung, dass es beim nächsten Mal besser läuft.
Lydia: Mmmhh. Ehrgeizig bin ich auch. Leider erzeugt das bei mir auch immer direkt einen Druck am besten irgendwo auf dem Podium zu landen (Dank an die gesellschaftliche Norm an dieser Stelle). Da ich mit Lizenz aber maximal Mittelfeld werden kann, bin ich eher frustriert und demotiviert.
Claudia: Der Vorteil von Cyclocross gegenüber Straßenrennen ist, dass der Rennausgang durch diverse Faktoren beeinflusst wird. Neben dicken Beinen und starken Nerven zählen auch sehr viel stärker Fahrtechnik und Risikobereitschaft. Und das Gute in den Hobbyrennen ist, dass ich mit Fahrerinnen eines ähnlichen Leistungsniveaus fahre und merke, dass auch die Anderen leiden. Das belebt den Wettkampfgedanken und die Lust sich in kleinen Auseinandersetzungen zu messen. Danach lacht man und hat Spaß zusammen. Wettkampfsport ist immer eine Gratwanderung zwischen Ehrgeiz und Spaß.
Lydia: Welche Vorbereitungen hast du für die Saison getroffen?
Claudia: Ich habe mir ein leichteres Rad gekauft 😉. (Anmerkung: Claudia fährt nachhaltig 10 Jahre alte Schlachtrösser mit Namen wie Max und Johnny5. Nun ist sie erstmalig von Alu und Cantilever-Bremsen auf Vollcarbon + Scheibenbremsen und DI2 gewechselt. Herzlichen Glückwunsch zum Eintritt in 2022 an dieser Stelle!).
Außerdem haben wir im Verein ein freies Training von Mitgliedern für Mitglieder organisiert. Und ich habe meine Rolle im Keller wieder aufgebaut.
Lydia: Du bist in den 2000ern Rennen in den USA gefahren. Was ist der Unterschied zu deutschen Rennen?
Claudia: Der Wagemut der Frauen. Es sind einfach sehr viel mehr Frauen gestartet und du hattest schon ein großes Feld. Der Wettkampfgedanke war dort auch viel ausgeprägter bei weiblichen Fahrerinnen und die Hemmschwelle, bei Rennen zu starten, geringer. Die Crits und Cyclocross-Rennen waren aber auch immer eine große Party, wo man mit Gleichgesinnten Spaß hatte. Das war zu der Zeit einfach ein Momentum für den weiblichen Radsport, das es so momentan nicht in Deutschland gibt (Anm.: Wobei Cyclocross hier definitiv momentan ein größeres Momentum schafft als die Straßenrennen).
Lydia: Womit wir wieder beim Thema Erwartung, Anspruch und Wirklichkeit wären. Es gibt eine ganze Menge Männer im Verein, die in Wettkämpfen, unter anderem auch jetzt im Crosscup, starten, ohne eine wirkliche Chance auf ein Podest zu haben. Es überwiegt jedoch der Sportsgeist, der Anspruch sich vielleicht selbst zu verbessern und vor allem Freunde zu sehen, Spaß zu haben und in der Crew abzuhängen. Ich frage mich, ob die Angst zu versagen bei rennbegeisterten Frauen unseres Alters generell alle anderen Faktoren überwiegt.
Claudia: Die Versagensangst ist schon ziemlich hoch. Dadurch entsteht Druck, der mir im Grunde damals auch die Lust am Wettkampf verleidet hat. Auch wenn ich mir den Druck nur selbst gemacht habe. In den Staaten gab es aber auch ein anderes Wertesystem. Ein Aufstieg erfolgte generell nur über Punkte. In Deutschland muss man ja quasi selbst entscheiden, ob man Hobby oder Lizenz fahren will. Mit Lizenz wird zumindest im Rennen dann auch nicht mehr nach Leistungsklasse unterschieden.
Lydia: Der Sprung von Hobby- zu Lizenzrennen ist für Frauen schon heftig. Da aufgrund der geringen Teilnehmerinnenzahl im Lizenzbereich viele Veranstalter für Frauen nur ein Elite-Rennen melden (und nicht noch zusätzlich ein Masters Rennen wie bei den Männern), wechselst du direkt in die Elite-Rennen und fährst dann mit Quasi- und Voll-Profis wie der amtierenden Olympia-Gewinnerin (BDR Strasse). Das ist schon ein Brett für alle „Erstfahrerinnen“ oder auch allen mittelmäßigen Fahrerinnen. Eine echte Lösung gibt es für mich da auch nicht. Es gibt einfach zu wenig Hobbywettkampfteilnehmerinnen, um wie bei den Männern eine Fluktuation hin zu Lizenzrennen zu erzeugen. Das Frau selbst entscheiden muss, wann sie von Hobby in den Lizenzbereich wechselt (und eben nicht aufgrund von Punkten/Siegen) ist sicherlich auch eher hinderlich.
Claudia: Ab 2023 kannst du ja dann mit mir dafür sorgen, eine breite Masse in der Hobbyklasse zu erzeugen 😉
Lydia: Und wenn es Leserinnen und Leser geschafft haben, bis hierhin zu lesen, dann kommt doch einfach mal vorbei zum nächsten Crosscup-Rennen am 12.11.2022 in Kendenich.
Die Autorinnen
Claudia (1981) startete ihre Rennradkarriere 2003 im Edinburgh Road Club. Ihr erstes Crit fuhr sie 2005 in Schottland und ihr erstes Cyclocross-Rennen 2011 in Liverpool. 2013 bis Anfang 2015 ist sie auf der Strasse und beim Cyclocross in den Staaten gefahren. Danach hat sie ihre aktive Rennradkarriere beendet. 2021 begann ihre aktive Hobbykarriere beim RTC dasimmerdabei.
Ihr persönliches Highlight: Wegbereiterin der späteren irischen Meisterin Maria Larkin im Chicago Cyclocross Cup
Lydia (1982) hat eine typisch „weibliche“ Rennradkarriere der 2010er hinter sich. Nach den Misserfolgen der gemeinsamen Freizeitgestaltung mit ihrem Exfreund fuhr sie einige Zeit allein, bevor sie 2017 in den RTC dasimmerdabei eingetreten ist.
Ihr persönliches Highlight: Beim Wappen von Pulheim wurde sie von Mieke Kröger erst auf deren letzten 10 Metern überrundet.
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